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Von Unsichtbarkeit bis Empowerment: Was ich von guten und schlechten Führungskräften gelernt habe

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  • Beitrags-Kommentare:Ein Kommentar
  • Beitrag zuletzt geändert am:22.06.2025

Führungskräfte prägen unseren beruflichen Werdegang mehr als wir oft wahrhaben wollen. Deswegen hat Andrea Sam mit ihrer Blogparade „Cheferfahrungen“ dazu aufgerufen, Erlebnisse mit Führungskräften zu teilen – positive wie negative.
In fast 20 Jahren – ein Großteil davon in Projekten – habe ich jede Menge davon erlebt. Die meisten davon waren überwiegend positiv.
Diese Erfahrungen haben nicht nur mein Verständnis von Führung geprägt, sondern auch meinen eigenen Umgang mit Verantwortung. Die vielen positiven wie negativen Begegnungen sind heute die Basis für meine eigenen Entscheidungen.
Ich finde, wir sollten uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, wie prägend Führungskräfte sind. Um gute Führung selbst zu leben, aber sie auch für uns einzufordern.

Allein im Azubi-Alltag

Als Auszubildende habe ich einst in der Fertigungslogistik gesessen und mich verloren gefühlt. Mein Arbeitsplatz: ein Azubi-Schreibtisch ohne wirkliche Aufgaben. Meine Betreuung: praktisch nicht vorhanden.

„Wir haben nichts für dich“ war die Standardantwort auf meine regelmäßigen Nachfragen. Und was machen Azubis, wenn sie nichts zu tun haben? Richtig, sie schreiben Ausbildungsnachweise. Ich habe also die Vorlagen für ein ganzes Jahr im Voraus gemacht. Aber das hat leider auch nicht ausgereicht, um den vielen Leerraum zu füllen. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine neue Mitarbeiterin in dieser Abteilung. Als ich diese nach Aufgaben gefragt habe, habe ich schallendes Gelächter geerntet.
Natürlich wusste ich auch damals schon, dass es mir dort nicht gefällt – aber vieles kann ich doch auch erst im Nachhinein richtig einschätzen. Mit meiner jetzigen Erfahrung wird das Versagen der Betreuerin nochmal sehr viel deutlicher. Mit meiner heutigen Erfahrung würde ich solche Umstände nicht mehr hinnehmen, aber damals wusste ich mir nicht zu helfen.

Erinnerung für: Auszubildende und Berufsstarter*innen genauso viel Respekt entgegen bringen wie allen anderen. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht für alle.

Gemeinsam denken als Lernprozess

Im Kontrast dazu steht meine Zeit in der Vertriebsabteilung während der Ausbildung. Hier habe ich eine Betreuerin erlebt, die sich nicht nur Zeit genommen hat, sondern mich aktiv an ihren Arbeitsprozessen hat teilhaben lassen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die gemeinsame Kommunikation mit der amerikanischen Tochterfirma. Meine Betreuerin hat mich E-Mails entwerfen lassen und hat sie dann gemeinsam mit mir überarbeitet:
„Ist das verständlich genug? Welches Wort würde besser passen? Sind alle notwendigen Informationen vorhanden? Könnte diese Formulierung zu Missverständnissen führen?“
Wichtig war das für mich aus zwei Gründen:
1) Das gemeinsame Schreiben hat mein Gefühl für präzise Kommunikation geprägt; immer mitzudenken, wie das Gegenüber etwas auffassen könnte, auch wenn es „nur“ Liefertermine sind.
2) Vor allem aber hat sie mich an ihrem Denkprozess teilhaben lassen und mir dadurch das Gefühl gegeben, dass man die benötigten Fähigkeiten lernen kann – und nicht etwas ist, für das ich „einfach nicht gut genug“ bin.

Erinnerung für: Auszubildende (eigentlich alle) sind lernende Menschen und keine lästige Pflichtaufgabe.

Der entscheidende Schubs

Nach meinem Studium war ich in der ersten Zeit in der Beratung nicht besonders glücklich. Doch dann habe ich eine Führungskraft getroffen, die meine berufliche Laufbahn entscheidend geprägt hat und der Grund gewesen ist, warum ich geblieben bin. Diese Führungskraft hat sich für meine Entwicklung eingesetzt und mir Verantwortung übertragen, ohne sie abzuwälzen; begleitet von aufrichtigem Lob, das mein noch nicht ganz stabiles Selbstbewusstsein gestärkt hat. Fröhlich, zugewandt und manchmal ein wenig chaotisch – so habe ich erlebt, was Führung auf Augenhöhe bedeutet. Diese Führungskraft hat mir den Schubs in Richtung mehr Verantwortung gegeben, den ich selbst nicht gewagt hätte – aber ohne Druck, sondern so, dass es zu meinen Fähigkeiten und meiner Persönlichkeit gepasst hat.

Erinnerung für: Genau hinschauen. Gute Führung lässt Menschen aufblühen.

Untergrabene Grenzen und falsche Erwartungen

Nach der Rückkehr aus meiner ersten Elternzeit habe ich immer noch im Beratungsunternehmen gearbeitet – allerdings in Teilzeit. Während die Führungskraft in besagtem Projekt anfangs verständnisvoll gewirkt hat, hat sich das unter Druck drastisch geändert.

„Ach du mit deiner Teilzeit“ oder „Könntest du nicht doch an dem Termin teilnehmen?“ sind Sätze gewesen, die ich regelmäßig gehört habe. Durch subtilen Druck und gelegentliches Schmeicheln habe ich mich bald in einer Situation wiedergefunden, in der ich statt der vereinbarten 30 Stunden eher 50 Stunden pro Woche gearbeitet habe – fast jeden Abend, oft bis spät in die Nacht. Schließlich musste ich beweisen, dass ich trotz Teilzeit noch eine wertvolle Mitarbeiterin bin (dachte ich).

Diese Erfahrung hat meine berufliche Motivation nachhaltig beschädigt. Obwohl ich die Überstunden später ausgleichen konnte, ist die Zeit weder für mich noch für meine Familie gut gewesen. Heute reagiere ich auf Termine außerhalb meiner regulären Arbeitszeit deutlich sensibler.

Erinnerung für: Meine eigene Arbeitsweise und meine Grenzen regelmäßig reflektieren – und auch die anderer respektieren. Toxische Führung schleicht sich oft unmerklich ein. Was mit kleinen „Ausnahmen“ beginnt, kann schnell zu einem ungesunden Normalzustand werden.

Was ich über Führung gelernt habe

Aus meinen verschiedenen Erfahrungen nehme ich eine Reihe von Punkten mit – einige davon sind diese:

  1. Verantwortung übernehmen: Gute Führungskräfte sehen es als ihre Aufgabe, ihre Mitarbeitenden zu entwickeln.
  2. Teilhaben lassen: Wer seinen Denkprozess teilt, hilft anderen beim Lernen.
  3. Grenzen respektieren: Eine vereinbarte Teilzeit ist keine Verhandlungsbasis, sondern eine Realität.
  4. Potenziale erkennen: Gute Führungskräfte sehen Stärken, die wir selbst manchmal nicht sehen, und helfen uns, diese zu entfalten.
  5. Respekt als Grundlage: Respektvoller Umgang bedeutet nicht Führungsschwäche, sondern schafft Vertrauen und Motivation.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Andrea Sam

    Liebe Martina,

    herzlichen Dank für Deinen wertvollen Beitrag zu meiner Blogparade!

    Dein Beispiel aus der Lehrzeit – da kann ich nur den Kopf schütteln. Unglaublich, wie herablassend manche Menschen mit jungen Auszubildenden umgehen. Umso schöner, dass Du später auch ganz andere Erfahrungen machen durftest – echte Unterstützung, echtes Interesse an Deiner Entwicklung. Das ist so wichtig!

    Besonders berührt hat mich Dein Beispiel mit den 50 Stunden – das kenne ich sehr gut aus meiner Beratungspraxis. Du bist damit keineswegs allein. Viele Frauen leisten viel, wollen es gut machen – und merken erst spät, wie selbstverständlich das angenommen wird, ohne dass sich etwas in Bezahlung oder Haltung verändert. Umso wichtiger ist Dein Schritt, den eigenen Wert zu erkennen und klar zu kommunizieren.

    Danke fürs Teilen – und fürs Mutmachen!

    Herzliche Grüße
    Andrea

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